Es ist der heißeste Sommer des 21. Jahrhunderts als sich vier mutige Wanderreiterinnen mit ihren Pferden auf den Weg in den Bayerischen Wald machen. Die vier sind Sabine mit ihren Hafi Wendelin und ihrer Hündin Bobby, Steffi mit ihrem Hafi Leopold, Annette mit ihrer Appalosastute Lady und ich, Andrea mit meinem Hafi Max und Mischlingsrüden Shaky. Unser Rundritt durch den Bayerischen Wald beginnt in Winzer-Nesselbach, einem kleinen Ort an der Donau, in dem wir uns alle am Samstag den 26.7.03 treffen. Im Gasthaus Augenstein sind wir alle gut untergebracht und unsere Pferde in einem kühlen Stall. Am Abend kühlen wir uns, bei immerhin noch 30º C Außentemperatur, im hauseigenen Swimmingpool ab.
Wir starten um 7 Uhr und reiten gen Osten durch eine hügelige Landschaft, in der sich Wald und offenes Feld abwechseln. Nach ca. 3 Stunden erreichen wir durstig Aicha vorm Wald. Wie gut, dass Steffi den praktischen Falteimer von Ortlieb dabei hat, die Pferde haben mächtig Durst, wir auch. Nach ca. 100 Liter Wasser und 4 Liter Apfelschorle reiten wir noch weitere 3 Stunden auf geteerten und geschotterten Wegen bei über 30º C zum Gutshof Feuerschwendt. Auch hier haben unsere Pferde das Glück in einem kühlen Stall schlafen zu können. Für uns gibt es wieder ein Schwimmbad zum Abkühlen und ein hervorragendes Abendessen. In der Nacht gewittert es und die Luft wird etwas kühler.
Auf dem Weg nach Hauzenberg
Obstbaumwiese beim Gidibauer
Wir starten gemütlich um 10 Uhr und reiten durch welliges, teils bewaldetes Hügelland über Büchelberg (Mittagsrast) zur Granitstadt Hauzenberg. Dort erwartet uns der „Gidibauer“, der bei unserer Ankunft gerade eine schöne Obstbaumwiese für unsere Pferde einzäunt. Wir sind mal wieder super untergebracht im alten Gutshof „Gidibauer“ mit Tradition in ländlicher Atmosphäre und ausgezeichneter Küche (sehr empfehlenswert). Unsere Zimmer haben Blick auf die Koppel. Es regnet die ganze Nacht, die Pferde sind unruhig. Ich höre sie ständig auf und ab galoppieren, bis ich endlich einschlafe.
„Matschwiese am Morgen“
Am Morgen darauf sind die Pferde von oben bis unten mit nassem Matsch beschmiert und die Koppel sieht aus wie ein umgepflügter Acker. Wir sind erst mal 1 Stunde mit Putzen beschäftigt und sehen anschließend so aus wie die Pferde vor dem Putzen. So kann man doch nirgends einkehren denk ich mir so. Um 10 Uhr reiten wir dann bei Nieselregen ab. Heute haben wir Pech mit der Mittagsstation, das einzige Gasthaus weit und breit hat geschlossen. Wir binden unsere Pferde trotzdem am Parkplatz an, versorgen sie mit Kraftfutter und essen unsere zermatschten Müsliriegel, die es bis hier in der Packtasche überlebt haben. Unsere Pferde dösen zufrieden für ein Stündchen. Nach der Pause reiten wir weiter durch die „Neue Welt“, ein Landstrich nahe der Österreichischen Grenze. Gegen 17 Uhr kommen wir in Neueichenau/Schimmelbach an. Dort empfängt uns Frau Linhoff, eine sehr freundliche Islandpferdzüchterin, die mit ihrem Mann und den Isis in einem wunderschönen alten Bayerwald Landhaus lebt. Nach ausgiebiger Stall und Pferdebesichtigung führt sie uns in die Gemächer, in denen wir diese Nacht verbringen werden. Wir haben eine ganze Etage für uns allein. Zudem werden wir mit selbstgebackener Pizza und Salat vorzüglich bewirtet. Spät am Abend gehe ich noch einmal nach den Pferden schauen. Noch nie habe ich die Nacht so dunkel wie in Schimmelbach erlebt.
Kurz vor Abritt in Schimmelbach
Am Morgen schnell noch ein Foto und los geht’s um 9:30. Das Wetter ist prima, die Laune gut und die Wege im Wald sind ein Traum. Der ganze Wald ist durchzogen mit Natur-, Lehm- und Sandwegen. Den nächsten Wanderritt im Bayerischen Wald würde ich ab hier machen. Doch leider müssen wir den Wald schon bald wieder in westlicher Richtung verlassen, doch zuvor werden wir noch vor ein Hindernis gestellt. Ein großer Baum liegt über dem Weg, der nicht zu überwinden ist. Zusätzlich geht es ziemlich steil bergab, doch wir können seitlich des Baumes vorbei gehen. Unten im Tal fließt ein kleiner Bach, wir führen die Pferde hinunter. Es ist etwas morastig, ich gehe mit Max voraus, ein Sprung und wir sind drüben. Dann kommt Annette mit Lady, ein Sprung, ein Schrei, der mir heute noch in den Ohren klingt. Lady ist beim Springen auf Annettes Fußknöchel /Sprunggelenk gelandet. Nach kurzer Überprüfung von Annettes Zustand beschließe ich noch ein Stück zu reiten, denn ein Blick in die Karte zeigt mir, dass wir bald aus dem Wald draußen sind und ein Dorf in der Nähe liegt. So bekommt Annette erst mal ein paar Notfalltropfen und dann rauf aufs Pferd, denn Laufen kann sie nicht mehr. Am Waldrand wollen wir uns den Knöchel erst einmal anschauen. Doch dazu kommt es nicht, gerade als wir aus dem Wald herauskommen werden wir von aggressiven Erdwespen angefallen. Die Pferde springen und steigen vor Angst und dann sticht eine Wespe der ja schon genug geschundenen Annette direkt ans Augenlied. Wieder durchdringt ein fürchterlicher Schrei den Bayerischen Wald. Zum Glück ist das Dorf schon in Sicht, wir läuten am ersten Haus und ein Engel öffnet die Tür. Hat die nette Frau doch genau das Richtige im Eisfach, jede Menge Kühlkompressen für eine ganze Fußballmannschaft stellt sich heraus. Gut gekühlt geht’s Annette bald schon besser und im nächsten Gasthaus gibt’s noch Kühlung von innen. Nach 2 Stunden Pause reiten wir weiter und kommen um 18 Uhr in Falkenbach an. Die Pferde kommen in Boxen unter, wir im Gasthaus gegenüber.
Sabine Geyer mit Wendelin und Bobby am Geyersberg
Wir starten mit unseren super fitten Pferden um 9:30. Nach ca. 1 Stunde erreichen wir Ringelai, dort entdecken wir einen Geldautomaten und machen kurz Halt um unsere Geldbörsen aufzufüllen. Da bemerkt Steffi, dass ihr eine Packtasche fehlt, die jetzt irgendwo zwischen Falkenau und Ringelai am Wegesrand liegt. Kurz entschlossen frage ich eine nett aussehende Frau, ob sie uns mit ihrem Auto ein Stück unseres Weges zurückfahren kann, denn die letzten drei Kilometer sind wir geteerte Straße gegangen. Sie ist sofort bereit und fährt mit Steffi und mir den Weg zurück bis zum Wald. Da kommt man aber mit dem Auto nicht weiter, der Weg ist steil und unbefestigt. Steffi und ich gehen zu Fuß weiter, die nette Frau sagt, dass sie noch etwas wartet und dann wieder zurückfährt. Wir gehen noch etwa 5 Minuten und finden die Packtasche mitten im Wald. Wir laufen schnell zurück zum Auto, das zum Glück noch da steht. Es gibt doch noch hilfsbereite Menschen, insbesondere im Bayerischen Wald. Annette und Sabine haben derweil die Pferde auf dem Parkplatz vor der Sparkasse bewacht. Durch die hilfsbereite Frau hat uns der Zwischenfall nur eine halbe Stunde Zeit gekostet. Weiter geht’s in Richtung Grafenau, wir führen die Pferde aus Ringelau heraus. Beim Aufsitzen bemerkt Steffi, dass sie vor Hektik ihren Reithelm in Ringelau auf einer Mülltonne hat liegenlassen. Diesen aber opfert sie, so dass wir weiter reiten können. Der Weg führt uns durch einen Zauberwald mit Leuchtmoos an den Bäumen. In Neudorf bei Grafenau finden wir ein Gasthaus mit Biergarten, wo unsere Pferde angebunden an Bäumen ein kleines Nickerchen machen, wir finden etwas Erholung bei einem guten Essen im Gasthaus. Die halbe Strecke liegt hinter uns, weiter geht’s es südlich um Grafenau herum über einen Berg Namens Hammerhäng, der mit großen länglichen Felsblöcken durchsetzt ist, die eindrucksvoll im Wald herumstehen. Weiter geht es entlang der großen Ohe, auf einem Weg der kurz vor Oberkreuzberg an einem Zaun endet. Wir steigen ab und führen unsere Pferde um die Einzäunung herum und werden ein zweites Mal von wild gewordenen Erdwespen angegriffen, deren Nest die Pferde mit ihren Hufen zerstört haben. Diesmal muss Sabine dran glauben, sie wird von 2 Wespen in die Wade gestochen. Zum Glück sind wir kurz vor dem Ziel. In Oberkreuzberg sind unsere Pferde auf einer schönen Koppel untergebracht. Wir nächtigen in einer tollen Ferienwohnung direkt am Stall. Heute kommt Bruno, Annettes Mann, mit dem Auto und bringt frische Wäsche, er beleibt die nächsten zwei Tage als Trossfahrer bei uns.
Am Morgen stell ich fest, dass mein Hund Shaky lahmt. Er hat sich wahrscheinlich eine Sehne gezerrt. Gut das Bruno mit dem Auto da ist und sich bereit erklärt ihn bis zur nächsten Reitstation mitzunehmen. Abritt um 9:15, die Sonne lacht, heute werden wir hauptsächlich im Wald reiten. In Klingenbrunn erreichen wir die Grenze zum Nationalpark Bayerischer Wald. Dieser ist die größte Waldlandschaft in Mitteleuropa mit insgesamt 6000 qkm Wald. Im Nationalpark ist das Reiten nicht erlaubt. Nach 2,5 Stunden erreichen wir unsere Mittagsstation in Flanitzmühle, in der wir gemütlich für eineinhalb Stunden einkehren. Danach reiten wir weiter entlang der Flanitz in Richtung Schweinhütt. Nach einiger Zeit stelle ich fest, dass das Gelände nicht mehr mit der Karte übereinstimmt, ein Alptraum eines jeden Wanderreiters und das mitten im Wald. Der Kompass sagt wir reiten nach Norden, Schweinhütt liegt jedoch im Westen. Ich habe eine Vermutung und tatsächlich sie stimmt, wir kommen aus dem Wald heraus und befinden uns in Frauenau. Au, Au das tut weh. Wieder geht’s in den Wald hinein, diesmal in westliche Richtung auf gekennzeichneten Wanderwegen und siehe da, nach drei Stunden erreichen wir Schweinhütt mit einstündigem Umweg. Leider hält die Wanderreitstation für Pferde nicht, was sie im „Ross und Reiter für Ostbayern“ verspricht. Die Koppel ist zwar riesengroß, aber dafür ein besserer Müllhaufen, wir sind eine gute Stunde beschäftigt alte Schnüre, Drähte und Holzlatten mit Nägeln zu beseitigen. Als Kraftfutter bekommen wir eigenartige Pellets, die komisch riechen, die Pferde mögen es nicht, die Hühner nebenan auch nicht. Wir müssen es hinnehmen mit dem Fazit „nicht empfehlenswert“. Wir, die Reiter kommen beim singenden Wirt gut, aber etwas überteuert unter.
Andrea mit Max
Wir starten um 10:30 an einem warmen sonnigen Tag und reiten gen Süden nach Kirchberg im Wald. Heute haben wir alle unsere „Bavarian Forest Horse Trail“ T-Shirts an, weil unser vorletzter Reittag ist, sieht lustig aus. Alles läuft bestens, unsere Pferde und wir sind ein eingespieltes Team. In Kirchberg im Wald finden wir ein schönes Gasthaus zum Einkehren. Die Pferde haben ein schattiges Plätzchen unter Bäumen und dösen zufrieden, wir pausieren im kühlen inneren des Gasthauses. Nach 2 Stunden Rast brechen wir auf in Richtung Kerschbaum, es ist drückend schwül, von Osten zieht ein Gewitter heran. Wir überlegen uns unterzustellen, doch das Gewitter scheint vorbeizuziehen. Eine landschaftliche reizvolle Strecke liegt vor uns. Nach 2 Stunden erreichen wir Hunding, das Goldgräberdorf, in dem jedes Jahr das größte Western- und Countryfest Ostbayerns stattfindet. Nun haben wir noch einen Anstieg von 450 Höhenmetern zu überwinden, über den Steinberg und noch ein Stück der Straße entlang nach Kerschbaum, nahe des Brotjackelriegel und Bichelstein (von hier stammt angeblich der bekannte Bichelsteiner Eintopf). In Kerschabum sind Pferde und Reiter mal wieder optimal untergebracht im Gasthaus Büchelstein mit Boxen direkt am Hof. Bei hausgemachten Büchelssteiner verbringen wir den letzten gemeinsamen Abend und fallen todmüde in die Betten.
Am Morgen in Schweinhütt in
unseren „Bavarian Forest Horse Trail“ T-Shirts (Den
Aufdruck kann man leider nicht lesen)
Heute ist es sehr heiß, 32° C sind angesagt, wir reiten um 8:30 ab in Richtung Schöllnach. Wir haben uns vorgenommen zwei drittel der Strecke zu reiten und die Mittagsrast etwas länger zu machen. Nach viereinhalb Stunden finden wir in Kopfberg ein wunderbares Gasthaus mit Bäumen. So gibts Schatten für die Pferde. Wir genießen die zweistündige Pause im kühlen inneren des Gasthauses. Danach reiten wir etwa eineinhalb Stunden an der kleinen Ohe entlang und sind um 16:45 am Ende unseres 242 km langen Rundritts zurück in Nesselbach. Die netten Wirtsleute vom Gasthaus Augenstein erlauben uns die Pferde noch für ein Stündchen in die kühlen Boxen zu stellen, während wir noch ein erfrischendes Bad im Schwimmbad nehmen. Anschließend verladen wir unsere treuen Wegbegleiter in die Anhänger und fahren nach Hause.
Durstige Pferde in Kirchberg im Wald
Fazit / Danksagung:
Es war ein sehr schöner harmonischer
Ritt, fernab vom Massentourismus in reizvoller Landschaft und unverfälschter
Natur, mit vielen netten und hilfsbereiten Menschen. Von Ross und Reiter wurde
eine gute Kondition verlangt, das es sehr oft Bergauf und Bergab ging. Ein
großer Dank an all die hilfsbereiten Menschen, die nachdem wir nachgefragt
hatten, unseren Pferden einige Liter Wasser spendeten. An die Wirtsleute der
Mittagsstationen, die uns immer freundlich aufnahmen und ein Plätzchen für die
Pferde hatten (dies ist nicht selbstverständlich). Und zu guter letzt an die
Leiter der Wanderreitstationen, bei denen wir mit herzlicher
Gastfreundschaft eine gemütliche
Unterkunft für uns und unsere vierbeinigen Freunde bekommen haben. Die Adressen
der Reitstationen habe ich dem „Ratgeber für Ross und Reiter in Ostbayern“
entnommen.
Text und Fotos von Andrea von Kienlin
(Andrea_at_vkienlin.de)